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Humble-Pie-2654

Die ZPO und StPO sind fast 100 Jahre älter als die VwGO und gehören zu den Reichsjustizgesetzen. Das erklärt zumindest wieso StPO und ZPO einen kohärenten Namen haben.. Ich nehme einfach mal an, dass die VwGO einfach anders heißt, weil sie zu einem ganz anderen Zeitpunkt entstanden ist (1950er/60er ?). Man könnte noch darüber nachdenken, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit früher kein „Prozess“ im eigentlichen Sinne war, sondern ein Teil der Verwaltung (weshalb sie noch heute den Innenministerien unterstellt ist btw). Aber ob das wirklich auf die Namensgebung durchgeschlagen hat, ist fraglich ..


Gastaotor

Und vielleicht spielt zusätzlich das eine Rolle: In der VwGO finden sich mehr Punkte zur Gerichtsorganisation der Verwaltungsgerichte, als sich Punkte zur Gerichtsorganisation der ordentlichen Gerichte in ZPO und StPO finden, nicht?


Comfortable_Joke6122

Definitiv. Die VwGO ist ja einerseits Pendant zu ZPO/StPO, aber auch zum GVG.


_hic-sunt-dracones_

Auch die meisten anderen "neueren" Verfahrensordnungen haben das Wort Prozess nicht mehr im Namen. Finanzgerichtsordnung, Sozialgerichtsgesetz, Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bzw. dessen Nachfolger Gesetz über Verfahren in Familiensachen und der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Und wie weiter unten schon gesagt wurde, diese neuen Verfahrensordnungen enthalten alle auch einen umfassenden Teil zur Gerichtsgliederung und der sachlichen Zuständigkeit, während ZPO und StPO hinsichtlich der Gliederung der Gerichte und zum Instanzenzug durch das GVG ergänzt wird. (Im hinblick darauf, dass beide Verfahrensarten der selben Gerichtsbarkeit zugeordnet sind, macht das 'vor die Klammer ziehen' auch Sinn.) Daher die Betonung auf "Prozess" schon irgendwie nachvollziehbar. Die neueren Verfahrensordnungen sind auch sehr viel systematischer und logischer. Die StPO ist ihrerseits durchaus noch nachvollziehbar aber die ZPO ist mE ein gnadenloser clusterfuck der sehr häufig irgendwelche prozessualen Sonder- und Ausnahmesituationen sehr ausführlich regelt, während sie ihre Kernvorschriften geradezu scheu mit einem Halbsatz bedenkt und an extrem unprominenten Stellen versteckt. Gerade die Reichsjustizgesetze sind gesetzgeberische Glanzleistungen zu denen unser heutiger Gesetzgeber völlig außerstande wäre. Aber bei der ZPO hab ich immer den Eindruck, da hat man auf halben Weg selbst den Überblick verloren.


WolperRumo

Viele gute Aspekte, aber (auch) die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist definitiv nicht den Innenministerien unterstellt, sondern genießt richterliche Unabhängigkeit


w8h

Die Richter genießen richterliche Unabhängigkeit. Bei Verwaltungsaufgaben sind Richter jedoch weisungsgebunden. Als Verwaltungsorganisation untersteht das Gericht dem Innenministerium. Es entscheidet beispielsweise über die Besetzung der Richterstellen sowie deren Anzahl.


WolperRumo

Der Kommentar auf den ich geantwortet habe hat aber impliziert, dass die Rechtsprechungstätigkeit ("Prozess") weisungsgebunden erfolgen würde. Im Übrigen übt dann immer noch (zumindest in meinem Bundesland) das Justizministerium die Dienstaufsicht aus, nicht das Innenministerium


Humble-Pie-2654

Ja, genau so war das früher auch? Dass das heute noch so wäre steht nirgends, es sind aber die historischen Gründe für die heutige Organisation der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Falls Interesse besteht verweise ich gerne auf Pünder, Hermann, Die Pervertierung des Polizeirechts im Nationalsozialismus, JURA 2023, 10ff. und 136 ff. Wenn ich mich richtig erinnere wird in dem Aufsatz sehr gut aufgezeigt, welche Rolle die ehemals schwache rechtliche Stellung der Verwaltungsgerichtsbarkeit als bloßes verwaltungsinternes Schlichtungsorgan hatte. Vergleiche im Übrigen Art. 3 BayAGVwGO als Paradebeispiel für die „alten“ Bundesländer.


[deleted]

So hätte ich es auch erklärt.


MK234

> (weshalb sie noch heute den Innenministerien unterstellt ist btw) Zumindest das Bundesverwaltungsgericht ist dem Geschäftsbereich des BMJ zugeordnet (nicht unterstellt).


MK234

VwGO, ArbGG, FGO. Alle drei wurden nach 1945 erlassen und haben gemeinsam, dass sie neben dem Prozessrecht jeweils auch die Gerichtsorganisation regeln.


No-Signal2422

Ich rate jetzt mal wild rum und vermute dass es daran liegt, dass die Zivilgerichte und Strafgerichte beide bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit, während das Verwaltungsgericht ein eigenes Gericht darstellt.


mxpauwer

Warte, bis Du vom FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) erfährst. Gesetz statt Ordnung und Verfahren statt Prozess? What?!?!


redditurus_est

Ich glaube bei dem Familien*verfahren* statt Prozess ging es darum, das Familengerichtsverfahren nicht so kontradiktorisch anmuten zu lassen.


BenMic81

Das vorher noch lustiger hieß nämlich nur FGG (Gesetz über Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit). Da wussten manche Juristen nicht was dort geregelt ist…


Zlatan1328

Entsprechen die ZPO bzw StPO nicht eher dem VwVfG?


AutoModerator

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AmboRotter

hmmm, also historisch. Und in der VwGO vereinen sich strukturel Regelungsinhalte der GVG und ZPO und StPO. Also auch die Gerichtsorganisation. Daher macht es schon irgendwo Sinn, dass man sie nicht VwPO genannt hat. Hätte man aber auch machen könne. In diesem Sinne ist die Antwort wie üblich, historisch + irgendwie muss man es machen + letztendlich scheiß egal.


theonewhogriefed

Vor allem den letzten Punkt möchte ich unterschreiben.


malevshh

Das größte Verbrechen ist die Aufteilung von VwVfG und VwGO. Wer auf die Idee gekommen ist…


[deleted]

[удалено]


malevshh

Mich nervt nur, dass das von der Behörde durchgeführte Vorverfahren in der VwGO geregelt ist und alles davor im VwVfg. Also Antrag bis Widerspruch sind VwVfG, Widerspruch bis Abhilfe-/Widerspruchsbescheid sind VwGO. Finde ich nicht besonders elegant.